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18.02.2022

EU-Studie zur Zuckermarktreform ohne Wert für die Politik

Berlin, 18.02.2022 – Die Europäische Kommission hat jüngst eine Studie veröffentlicht, welche die Marktanpassung des europäischen Zuckersektors nach dem Auslaufen der Zuckerquote untersucht hat. Sie ist Grundlage für ein Treffen von EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski mit europäischen Wirtschaftsverbänden und Vertretern der Mitgliedstaaten in der kommenden Woche.

Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker (WVZ) schließt sich der Einschätzung des Verbands Süddeutscher Zuckerrübenanbauer an: „Die Studie weist erhebliche Schwächen auf und wird der tatsächlichen Situation des Sektors nicht gerecht“, macht WVZ-Hauptgeschäftsführer Günter Tissen deutlich. Allein die gewählten Bewertungsmaßstäbe sind nicht nachvollziehbar. So ist es nicht sinnvoll, die Widerstandsfähigkeit der Zuckerwirtschaft – wie in der Studie geschehen – rückblickend und statisch anhand der Aufrechterhaltung des Zuckerangebotes in der EU zu bewerten. Zudem gehen die Verfasser fälschlicherweise davon aus, der Zuckersektor hätte die Marktneuregelung bereits ohne Krise überstanden. Dem ist mitnichten so. Die vermeintliche Widerstandsfähigkeit der deutschen Zuckerwirtschaft beruht bisher vor allem auf dem „Verbrennen“ finanzieller Reserven sowohl bei den Zuckerunternehmen als auch bei den Rübenanbauern. Ein Grund für die äußerst angespannte Lage sind die über Jahre weitgehend unverändert gewährten gekoppelten Zahlungen. Die Studienverfasser verkennen deren wettbewerbsverzerrende Wirkung, weil sie in einem europäischen Standortwettbewerb eine Bedrohung des Sektors sehen. Tatsächlich könnte jedoch ein unverfälschter Wettbewerb innerhalb der EU zu einer effizienteren Ressourcenverwendung, größerer Wettbewerbsfähigkeit und verbesserter Nachhaltigkeit führen. „Seit Jahren weist unsere Branche Berlin und Brüssel auf die bestehenden Wettbewerbsnachteile für die deutsche Zuckerwirtschaft hin. In der Einschätzung der bedrohlichen Situation war man sich schnell einig.  Seit Jahren passiert aber nichts, um das Problem zu lösen“, stellt Tissen fest.

Jetzt kommt es auf Kommissar Wojciechowski an

Die Branche blickt deshalb mit Hoffnung auf das Treffen von EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski mit Wirtschaftsverbänden und Mitgliedstaaten in der kommenden Woche. „Dies ist vielleicht die letzte Chance, die verzerrte Situation auf dem europäischen Zuckermarkt politisch zu lösen. Denn Ziel der Zuckermarktreform war es, die effizientesten Standorte für Anbau und Zuckergewinnung zu stärken. Stattdessen werden nicht-wettbewerbsfähige Standorte durch Beihilfen am Leben gehalten“, fasst Tissen zusammen.

Rückblick: Die Wettbewerbssituation liegt schon lange auf dem Tisch

Mit dem Auslaufen der Zuckerquoten Ende September 2017 sollte die Zuckerproduktion auf die effizientesten Standorte verlagert werden. Die Liberalisierung des Zuckermarktes hat allerdings einen fatalen Konstruktionsfehler – gekoppelte Direktzahlungen für Zuckerrüben. Durch diese werden nicht wettbewerbsfähige Strukturen der Zuckerwirtschaft aufrechterhalten und die erforderliche Marktbereinigung verhindert. Gekoppelte Zahlungen für Zuckerrüben haben also zur Verstärkung der Krise auf dem Zuckermarkt beigetragen und das vor allem zu Lasten der wettbewerbsfähigsten Standorte, u.a. Deutschland. Auf diesen Zusammenhang hat die deutsche Zuckerwirtschaft seit Jahren hingewiesen.

Gleichzeitig stand den deutschen Rübenanbauern im Frühjahr 2019 die erste Zuckerrübenaussaat ohne die neonicotinoide Beizung bevor. Andere EU-Mitgliedstaaten reagierten dagegen sofort mit Notfallzulassungen auf das EU-weite Verbot der Neonicotinoide. Trotz nicht abwendbarer Fabrikschließungen blieb die deutsche Politik untätig. Man wollte die Ergebnisse der in der Krise eingesetzten „High Level Group on Sugar“ abwarten.

Der Bericht der „High Level Group on Sugar“ von Juli 2019 zeigte eine realistische Einschätzung der wettbewerbsverzerrenden Wirkung der gekoppelten Zahlungen auf, entfaltete jedoch mit Blick auf die GAP-Reform keine Wirkung. Anlässlich des Abschlusses der Trilogverhandlungen verlautbarten der Rat der Europäischen Union, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie die Schwierigkeiten des europäischen Zuckersektors nach der Abschaffung der Zuckerquoten im Herbst 2017 anerkennen und verwiesen auf die Mitte 2021 noch laufende Studie zu den Anpassungsstrategien des Zuckersektors. Alle angemessenen, zukünftigen politischen Entwicklungen sollten im Lichte der Ergebnisse und Schlussfolgerungen dieser Studie betrachtet werden. Diese Studie liegt nun vor. Aus den genannten Gründen eignet sie sich jedoch keineswegs als Basis für eine künftige Weichenstellung und ist damit wertlos für die Bewältigung der anhaltenden Zuckermarktkrise.