EU-Pläne zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gefährden Zuckerbranche
Position der Zuckerwirtschaft zum Verordnungsvorschlag für die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR).

Die Europäische Kommission will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in „empfindlichen Gebieten“ komplett verbieten. Das sieht der aktuelle Verordnungsvorschlag für die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) vor. Würde die Verordnung so kommen, würde sie den Zuckerrübenanbau in Deutschland gefährden.
Denn „empfindliche Gebiete“ finden sich häufig in der Nähe von Zuckerfabriken, wo Zuckerrüben angebaut werden. Darunter fallen zum Beispiel auch Landschaftsschutzgebiete, deren Schutzzweck in der Erhaltung der Landschaft liegt, sowie Vogelschutzgebiete. Laut einer Studie des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung wären 31 Prozent der Gesamtackerfläche von dem vorgesehenen Anwendungsverbot in „empfindlichen Gebieten“ betroffen, in einzelnen Bundesländern noch deutlich mehr. Wenn die Verordnung wie vorgeschlagen käme, wäre der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hier nicht mehr möglich. Damit wären dann auch große Flächenanteile für den Zuckerrübenanbau verloren. Denn ganz ohne Pflanzenschutzmittel lässt sich heute keine Zuckerrübe anbauen, weder konventionell noch biologisch.
Dieser Verlust hätte weitreichende Folgen für die Zuckerfabriken. Denn diese brauchen den regionalen Zuckerrübenanbau, um wirtschaftlich betrieben zu werden. Über große Entfernungen können die Rüben nicht transportiert werden. Das wäre zu teuer und würde zu viel CO2 verursachen. Ein pauschales Pflanzenschutzverbot in Einzugsgebieten von Zuckerfabriken würde deshalb zur Schließung von Zuckerfabriken führen und damit zum Verlust tarifgebundener Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Dann hätten auch die verbliebenen Zuckerrübenanbauer außerhalb der „empfindlichen Gebiete“ keine Abnehmer mehr für ihre Rüben und müssten den Anbau aufgeben. Damit würde der Zuckerrübenanbau in der gesamten Region vollständig verschwinden – und mit ihm der regionale Rübenzucker. Das wäre nicht nur für eine nachhaltige Landwirtschaft mit vielfältigen Fruchtfolgen, sondern auch für eine nachhaltige Lebensmittelkette ein großer Rückschritt.
Deshalb fordern wir: Keine pauschalen Pflanzenschutzverbote in „empfindlichen Gebieten“. Rübenanbauer brauchen ausreichend Wirkstoffe im Pflanzenschutz, um ihre Zuckerüben zu schützen. Denn auch Bandspritzen und Spotspraysysteme brauchen Wirkstoffe. Statt pauschaler Verbote brauchen wir Offenheit für neue Technologien, inklusive neuer Züchtungsmethoden, die Förderung von Innovationen (Digitalisierung, Robotik) und ihre breite Anwendung durch eine Investitionsförderung. Zudem sollte die Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln mit geringerem Risiko und von innovativen Ansätzen wie RNA-Sprays beschleunigt und EU-weit harmonisiert werden.
Innovationen sind besser als pauschale Pflanzenschutz-Verbote
Deutschland hat die bisher geltende EU-Richtlinie vollumfänglich umgesetzt. Die Zuckerwirtschaft hat als erste Branche überhaupt Leitlinien für den integrierten Pflanzenschutz erarbeitet, deren Umsetzung im Rahmen des Vertragsanbaus für Zuckerrübenanbauer verbindlich ist. Das Ergebnis ist eine Kette von Maßnahmen, bei der chemische Pflanzenschutzmittel so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig zum Einsatz kommen. Dieser Erfolg darf nicht umsonst sein.
Darüber hinaus investiert die Branche in innovative Alternativen. Auf Versuchsfeldern wird erforscht, wie Blühstreifen zum Lebensraum für Nützlinge werden, die Schädlinge fressen. Das Rüben-Experimentierfeld „Farmer Space“ beschleunigt die Anwendung digitaler Technologien in der Praxis. Weitere Projekte suchen die optimale Kombination von mechanischer Unkrauthacke und digital gesteuerten punktuellen Pflanzenspritzungen. Dies sind nur drei Beispiele von vielen.
Hören Sie mehr in unserem Podcast
Die Umsetzung des aktuellen Verordnungsentwurfs würde bedeuten, dass auf vielen Flächen konventioneller oder ökologischer Ackerbau nicht mehr möglich wäre. Auch kein Rübenanbau. Fielen diese Flächen weg, würden in einigen Regionen nicht mehr genug Rüben übrigbleiben, um eine Fabrik auszulasten.
In unserem Zucker-Podcast diskutieren Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbands und Vorsitzender der Rheinischen Rübenanbauer sowie Bernd Bulich, als Landwirt aktiv im Verein Drüber und Drunter, über die Praxistauglichkeit der EU-Pläne. „Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“ – das ist die Forderung von Bernhard Conzen an die Europäische Kommission. Bulich fordert von der Politik, Landwirten die Zeit zu geben, ihre Betriebe noch ökologischer zu machen. Um Pflanzenschutzmittel einzusparen, brauchen Landwirte Alternativen, die es zurzeit noch nicht gibt.
Integrierter Pflanzenschutz (IPS) im Zuckerrübenanbau
Der integrierte Pflanzenschutz (IPS) bezeichnet eine Kette von Maßnahmen, die den Schädlingsbefall auf natürliche und mechanische Weise verhindern und bekämpfen soll. Der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel steht dabei erst am Ende dieser Kette und erfolgt unter der Maßgabe: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Die Zuckerwirtschaft hat als erste Branche überhaupt bereits im Jahr 2011 Leitlinien für den integrierten Pflanzenschutz erarbeitet, deren Umsetzung im Rahmen des Vertragsanbaus für Zuckerrübenanbauer seit dem verbindlich ist.
Vorbeugen
Acker- und pflanzenbauliche Maßnahmen stärken die Ackerfrucht und beugen so dem Schädlingsbefall vor. Dazu gehören die Wahl eines geeigneten Standorts, von Aussaatterminen und -dichte, die konser- vierende Bodenbearbeitung, ausgewogene Düngemaßnahmen, die Verwendung von gesundem Saat- oder Pflanzgut sowie der Anbau in vielfältiger Fruchtfolge.
Die Pflanzenzüchtung kann neue Sorten entwickeln, die gegenüber bestimmten Schädlingen weniger anfällig sind. Allerdings ist das ein sehr langwieriger Prozess. Die CRISPR/Cas Methode kann den natürlichen Züchtungsprozess deutlich beschleunigen und sollte daher neu bewertet werden.
Das Monitoren der Anbauflächen gibt Aufschluss darüber, ob und in welchem Maße eine Feldfrucht von Schädlingen und Unkräutern befallen und gefährdet ist. Es bildet die Grundlage für die Planung von Maßnahmen zur Bekämpfung des Schädlingsbefalls.
Bekämpfen
Physikalische Maßnahmen sind mechanische Methoden wie die Unkrautbekämpfung durch hacken, striegeln oder bürsten, das Absammeln von Schädlingen, Schädlingsfallen oder auch thermische Methoden (abflämmen).
Biologische Maßnahmen bieten Nützlingen, den natürlichen Feinden von Schädlingen, attraktive Lebens- räume. Zu den biologischen Maßnahmen gehört auch der Einsatz von Mikroorganismen und Naturstoffen wie Pflanzenöle, Pflanzenextrakte oder Kaliseife.
Biotechnische Verfahren bezeichnen den Einsatz synthetisch hergestellter Pheromone, also Sexuallockstoffe. Sie locken Schädlinge in Fallen oder verhindern deren Paarung und Vermehrung, indem sie die Männchen verwirren.