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Geschichte der Zuckerwirtschaft
Zucker war über Jahrtausende eng mit dem Zuckerrohr verbunden. Erst um 1800 fand ein deutscher Forscher (Alexander Sigismund Marggraf) heraus, dass auch die in Europa vorkommende Runkelrübe Saccharose enthält. Franz Carl Achard züchtete sie später zu einer zuckerreicheren „Zuckerrübe“, wodurch sie als Rohstoff zur Zuckergewinnung nutzbar wurde, und entwickelte zudem das Verfahren für die Gewinnung. Damals war Zucker ein rares Gut und sehr wertvoll. Oft war es nur den Reichen vorbehalten. Durch die Erfindung der Rübenzuckergewinnung wurde das Lebensmittel für die breite Bevölkerung zugänglich und Europa wurde unabhängig von Importen.
Bevor der Zucker aus der Rübe kam
Die Perser entwickelten um 600 n.Chr. eine Methode der Zuckergewinnung: Sie gaben den heißen Zuckerrohrsaft in ein umgedrehtes, kegelförmiges Gefäß mit einem Loch in der Spitze. Durch diese Spitze lief der Sirup ab, während im Kegel der Zucker auskristallisierte. Nun drehte man den Kegel um, aus dem ein Zuckerhut herausfiel. So entstand die typische Form des Zuckerhuts, die bis heute erhalten ist.
Mit den Kreuzrittern, die im 11. Jahrhundert aus dem Nahen Osten zurückkehrten, wurde Zucker auch in Mittel- und Nordeuropa bekannt, wo er sich bei Königen und Fürsten schnell großer Beliebtheit erfreute. Schon bei seiner zweiten Amerika-Reise von 1493 bis 1496 brachte Christoph Kolumbus das Zuckerrohr in die Karibik mit – die klimatischen Bedingungen waren dort perfekt für Zuckerrohr.
Zwischen 1600 und 1700 verstärkte sich der berüchtigte transatlantische Dreieckshandel. Von Lateinamerika aus wurden vor allem Zucker, Tabak und Gold nach Europa verschifft. Dafür gingen Waffen, Branntwein und Baumwollstoffe nach Afrika. Von dort wiederum wurden per Schiff Sklaven nach Amerika gebracht und dort an die Plantagenbesitzer verkauft. In Europa entstehen immer mehr Zuckersiedereien. Hier wurde der angelieferte Rohrohrzucker gereinigt (raffiniert). Der Prozess bestand aus folgenden Schritten und dauerte rund einen Monat: Auflösen des Rohzuckers, Abschäumen, Klären, Filtrieren, Gießen der Masse in Formen (Zuckerhut), Abtrennen des Sirups von Zuckerkristallen, Trocknen, Zerkleinern.
Mit den neuen, ebenfalls aus den Kolonien stammenden Heißgetränken Tee, Kaffee und Kakao, die mit Zucker gesüßt werden mussten, und mit immer neuen kulinarischen Erfindungen wie kandierten Früchten, Marzipan, Limonade, Pralinés oder Speiseeis wurde der Zuckermarkt immer größer und profitabler. Aber Zucker war teuer. Durch einen Sklavenaufstand im weltweit größten Produktionsland Santo Domingo Ende des 18 Jhd. explodierten die Preise weiter und man suchte nach alternativen Zuckerrohstoffen unter den heimischen Pflanzen.
Die Geschichte Teil 1
Die Geschichte Teil 2
Die Geschichte Teil 3
Ersatz Rohrzucker durch Rübenzucker
1747 entdeckte der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, dass die Runkelrübe den gleichen Zucker enthält wie das Zuckerrohr, nämlich unseren Haushaltszucker Saccharose. Allerdings war der Zuckergehalt der Runkelrübe zu gering, um daraus Zucker herstellen zu können.
Sein Schüler Franz Carl Achard züchtete in Berlin aus der Runkelrübe dann die Zuckerrübe und schaffte es, ihren Zuckergehalt von 1,6 % auf ca. 5 % zu erhöhen. Nur so konnte daraus wirtschaftlich Zucker gewonnen werden. Zum Vergleich, durch erfolgreiche Züchtung liegt der Zuckergehalt von Zuckerrüben heute bei 17 – 19 %.
Die Geschichte Teil 4
Die erste Farbik entstand
Aufgrund seiner Erfahrungen aus Laborversuchen entwickelte Franz Carl Achard Pläne für die Rübenverarbeitung und Zuckergewinnung im Fabrikmaßstab. Er musste die Technologie dafür selbst entwickeln. Er baute 1801 die weltweit erste Rübenzuckerfabrik in Cunern, Schlesien. Finanziell unterstützt wurde er dabei von König Friedrich Wilhelm III.. Die Grundschritte ähneln denen von heute – erst wurden Rüben zerkleinert und daraus Saft gewonnen, dieser wurde gereinigt und anschließend wurde der Saft immer weiter eingekocht. Um die Zuckerkristalle von der Melasse (dem Sirup) zu trennen, wurde die eingekochte Masse in Zuckerhüte gefüllt und für 3 bis 6 Wochen bei 25 Grad stehen gelassen. Durch Pressen wurde der Sirup danach endgültig abgetrennt. Der Gesamtprozess war sehr aufwendig und bedeutete viel Arbeits- und Muskelkraft. Deshalb wurde der Prozess immer weiter verbessert. Zum Vergleich: Achard hat in der ersten Kampagne, also der ersten Zuckerproduktion, aus 100 kg Rüben 3,64 kg Rohzucker und 3,3 kg Melasse gewinnen können. Die Technologie aber auch der Anbau und die Zuckerrübensorten wurden seither immer weiter entwickelt. Zum Vergleich, heute erhält man aus 100 kg Rüben rund 15 – 17 kg Weißzucker, also gereinigten Rohzucker.
Die Geschichte, Teil 5
Der Aufstieg des Rübenzuckers
Freiherr Moritz von Koppy errichtet 1805/06 im schlesischen Krayn eine Rübenzuckerfabrik. Dabei wird er technisch und wissenschaftlich von Achard unterstützt. Durch ihre Zusammenarbeit und Koppys Idee, auch die „Abfallprodukte“ der Zuckerproduktion zu verwerten, entwickelt sich diese Fabrik zur ersten, die Gewinne erwirtschaften kann.
Napoleon Bonaparte blockierte Anfang des 19. Jhd die Seewege zu England, der importierte Zucker aus Zuckerrohr wurde knapp. Die Geburtsstunde der europäischen Zuckerindustrie – immer mehr Rübenzuckerfabriken entstanden. Nach Ende der Kontinentalsperre fielen die Zuckerpreise wieder und die unrentablen Rübenzuckerfabriken schlossen. Der Konkurrenzkampf zwischen Rohr- und Rübenzucker führt zu einem drastischen Preisverfall. So wird Zucker Mitte des 19. Jhd. für die breite Masse erschwinglich. Zucker verlor seine Rolle als Luxusartikel und wurde allmählich zum Volksnahrungsmittel.
Die technische Entwicklung in Anbau und Produktion gingen immer weiter. 1867 wird in Berlin das Forschungsinstitut für die Zuckerindustrie gegründet. Es entstehen Zusammenschlüsse, wie der Verein der Deutschen Zuckerindustrie im Jahr 1850 und internationale Handelsabkommen werden geschlossen.
Sowohl die Zuckersiedereien als auch die Rübenzuckerfabriken waren Motor und entscheidende Faktoren der Frühindustrialisierung Preußens.
Heute bauen rund 22.000 Landwirte Zuckerrüben in Deutschland an, in der Zuckerindustrie sind rund 5.600 Menschen direkt beschäftigt. Es gibt noch 18 Zuckerfabriken in Deutschland.
Die Geschichte, Teil 6
Die Geschichte, Teil 7