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Zucker & Diabetes

Wenn jemand an Diabetes leidet, hört man immer wieder: „Der ist zuckerkrank.“ Der Begriff „zuckerkrank“ führt schnell auf die falsche Fährte. Ist Diabetes eine Folge von Zuckerkonsum?

||Diabetes nach Altersgruppen Deutschland

Was ist Diabetes?

Als Diabetes mellitus (umgangssprachlich Diabetes) werden Stoffwechselstörungen bezeichnet, für die überhöhte Blutglukosewerte charakteristisch sind. Unterschieden werden die beiden Hauptformen Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, die häufig mitein­ander verwechselt werden.

Seit Jahrzehnten steigt die Zahl der Typ 2 Diabetiker aufgrund der Zunahme von Übergewicht und Adipo­sitas deutlich an. Die Studie zur aktuellen Gesundheit Erwachsener in Deutschland „DGES1“ zeigt, dass die Diabetesprävalenz mit steigendem Alter deutlich zunimmt1 (Abb. 1). Daher wurde Diabetes mellitus Typ 2 früher auch als Altersdiabetes bezeichnet. Allerdings sind inzwischen auch jüngere Menschen betroffen. Diabetes mellitus Typ 2 stellt laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eines der größten Gesundheitsprobleme dar. In Deutschland gibt es aktuell mehr als sieben Millionen Menschen mit Diabetes, davon sind mehr als 90 % von Diabetes mellitus Typ 2 betroffen (2).

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Die Blutglukoseregulation

Diabetes mellitus beeinflusst die Blutglukoseregula­tion negativ und kann so zu weiteren Schädigungen des Körpers führen. Der Körper braucht Kohlenhydrate zum täglichen Leben. Zu den Kohlenhydraten zählen alle Zuckerarten, wie z. B. Glukose, Fruktose, Laktose oder Saccharose (Haushaltszucker), ebenso wie Stärke. Nach dem Essen werden Kohlenhydrate durch die Verdauungsprozesse im Körper zu Einfachzuckern wie Glukose gespalten. Glukose gelangt über die Darmwand ins Blut und wird im gesamten Körper verteilt. Damit die Glukose nun in bestimmte Körperzellen aufgenommen werden kann (zum Beispiel in den Muskeln), wird das Hormon Insulin benötigt. Insulin wirkt quasi wie ein Schlüssel, der die Tür für die Glukose aufschließt. Insulin wird von den sogenannten Betazellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) produziert und in Abhängigkeit des Blutglukosespiegels (= Menge an Glukose im Blut) ans Blut abgegeben. Der Blutglukosespiegel wird somit durch die Insulinmenge und die damit verbundene Aufnahme von Glukose in die Zellen relativ konstant gehalten.

Formen des Diabetes

Beim Diabetes mellitus Typ 1 fehlt das Hormon Insulin komplett. Dieser Insulinmangel-­Diabetes beginnt meist schon im Kindes­ und Jugendalter. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Autoimmunerkrankung. Der Körper bildet Antikörper gegen die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse und zerstört diese. Das Resultat ist ein absoluter Insulinmangel, welcher nur durch die Injektion von Insulin aufgehoben werden kann (3).

Anders ist es beim Diabetes mellitus Typ 2. Hier kann die Bauchspeicheldrüse zwar noch Insulin herstellen, aber das Hormon wirkt im Körper nicht ausreichend oder die Menge an Insulin, die von der Bauchspeicheldrüse produziert wird, reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken. Diabetes mellitus Typ 2 ist vor allem das Resultat einer positiven Kalorienbilanz durch ständige Überernährung sowie Bewegungsmangel. Wenn das Fettgewebe die aufgenommenen Kalorien nicht mehr ausreichend speichern kann, erhöht sich der Anteil sogenannter freier Fettsäuren im Blut. Diese wiederum schwächen die Insulinwirkung für die Glukoseaufnahme in Körperzellen, etwa in der Muskulatur oder der Leber („Insulinresistenz“). Um diesen Prozess zu kompensieren, muss der Körper ständig mehr Insulin produzieren, damit die Glukoseaufnahme in die Körperzellen gewährleisten ist. Irgendwann sind die Betazellen dann „erschöpft“ und können nicht mehr ausreichend Insulin produzieren („Insulinsekretions­störung“). Die Folge sind stark erhöhte Glukosespiegel im Blut, dass Hauptmerkmal eines Diabetes mellitus („Hyperglykämie“) (3 – 5).

Entscheidend für Übergewicht ist die Kalorienbilanz

Mit höchster wissenschaftlicher Aussagekraft lässt sich eindeutig zeigen, dass die Kalorienbilanz entscheidend für das Körpergewicht ist. Wer mehr Kalorien aufnimmt, als er verbraucht, nimmt an Gewicht zu. Dabei ist die Quelle der Kalorien egal (23–25). Deshalb sollte auf eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung geachtet werden, um eine positive Kalorienbilanz zu vermeiden.

Ursachen eines Diabetes mellitus Typ 2

Der größte Risikofaktor für Diabetes mellitus Typ 2 ist starkes Übergewicht, die sogenannte Adipositas. Mehr als 90 % der Typ 2 Diabetiker sind adipös6. Aber auch „normales“ Übergewicht fördert die Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2. Gut 67 % der Männer und 53 % der Frauen mit Diabetes mellitus Typ 2 haben ein zu hohes Körpergewicht. Weitere Risikofak­toren sind eine familiäre Veranlagung und zu wenig  Bewegung (2). Weil heute viel mehr Menschen übergewichtig sind als noch vor 40 Jahren, ist die Zahl der Typ 2 Diabetiker angestiegen. Übergewicht ist in erster Linie ein Lebensstilproblem: Die Menschen in westlichen Industrienationen verbrauchen durch den Rückgang ihrer körperlichen Aktivität immer weniger Kalorien (7). Die Kalorienaufnahme durch Lebensmittel und die Menge der energieliefernden Nährstoffe Fett, Kohlenhydrate, Protein und Alkohol haben sich jedoch nur wenig verändert (8, 9). Daraus ergibt sich eine positive Kalorienbilanz, sprich: Es werden mehr Kalorien mit der Nahrung zugeführt, als verbraucht werden. Übergewicht ist die Folge.

Wie wichtig das Körpergewicht für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 ist, zeigt die DiRECT­Studie (Diabetes Remission Clinical Trial): Hier wurde untersucht, ob eine Körpergewichtsreduktion bei übergewichtigen und adipösen Personen den Krankheitsverlauf eines Diabetes mellitus Typ 2 wieder umkehren kann („Remission“). Die Probanden wurden auf eine Kontrollgruppe und eine Interventionsgruppe eingeteilt. Die Interventionsgruppe erhielt zunächst über drei bis sechs Monate eine Formula­Diät mit durchschnittlich 840 kcal pro Tag. Anschließend wurde unter Anleitung einer Diätassistentin oder geschulten Arzthelferin schrittweise über zwei bis acht Wochen eine kalorienarme Kost eingeführt und die Teilnehmer zu mehr Bewegung animiert. Das erklärte Ziel war es, über 12 Monate 15 kg abzunehmen. Die Kontrollgruppe wurde nur leitliniengerecht von der Hausarztpraxis betreut und nahm ihre Medikamente weiterhin ein.

Nach 12 Monaten zeigte sich in der Interventions­gruppe, dass die Remission des Diabetes mellitus Typ 2 proportional mit dem Gewichtsverlust der Probanden zunahm (10).

Neben Übergewicht und Adipositas gibt es noch weitere Faktoren, die das Risiko für Typ 2 Diabetes mellitus erhöhen können, etwa ein erhöhter Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch oder Rauchen (11, 12). Ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung und ein normales Körpergewicht schützen hingegen vor Diabetes mellitus Typ 2. Haushaltszucker (Saccharose) steht nicht in Zusammenhang mit Diabetes mellitus Typ 2, wie durch verschiedene systematische Übersichtsarbeiten belegt wurde (12, 13). Diese Ergebnisse werden durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bestätigt (14, 15). Die Aussage „Zucker macht Zucker“ ist somit durch höchste wissenschaftliche Evidenz widerlegt und falsch.

Limonaden

Eine besondere Stellung nehmen Limonaden und Fruchtsäfte ein. Beobachtungsstudien zeigen eine Korrelation mit der Entstehung von Typ 2 Diabetes mellitus (12, 16). Nach aktuellem Wissensstand haben energiehaltige Getränke einen geringeren Effekt auf das Sättigungsgefühl als feste Lebensmittel (17, 18). Somit können durch Getränke leichter mehr Kalorien aufgenommen werden als benötigt. Limonaden und Fruchtsäfte zeigen keine Veränderung auf die Blutglukose­ oder Insulinspiegel, wenn die Gesamtkalorienzufuhr nicht ansteigt (19). Daher sollte man seine persönliche Kalorienbilanz im Auge haben.

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Diabetes mellitus Typ 2 und Ernährungsempfehlungen

Eine Verringerung der Zuckeraufnahme spielt für die Vorbeugung von Diabetes mellitus Typ 2 keine Rolle, da es keinen Zusammenhang zwischen der Zuckeraufnahme per se und der Diabetesentstehung gibt. Genauso wie gesunden Menschen wird Diabetikern heute eine vollwertige, ausgewogene Ernährung mit einem hohen Ballaststoffanteil empfohlen.

In den aktuellen Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zur Vorbeugung und Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 werden die entscheidenden Nahrungsfaktoren für die Verminderung des Risikos wie folgt zusammengefasst: Gesamtfettzufuhr weniger als 30 % der Energieaufnahme, gesättigte Fettsäuren weniger als 10 % der Energieaufnahme und idealerweise mehr als 15 Gramm Ballaststoffe pro 1000 kcal (20). Auch bei einem bereits vorhandenem Diabetes mellitus Typ 2 besteht keine Notwendig­keit, auf Zucker zu verzichten. Diabetikern wird eine moderate Aufnahme von freien Zuckerarten, bis zu 50 Gramm am Tag und maximal 10 % der Energieauf­nahme empfohlen (20).

1 Heidemann, C., Du, Y., Schubert, I., Rathmann, W. & Scheidt-Nave, C. Prävalenz und zeitliche Entwicklung des bekannten Diabetes mellitus. Bundesgesundheitsbl. 56, 668–677 (2013).

2 Diabetes in Zahlen. diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/was_ist_diabetes_/diabetes_in_zahlen (Zugriff: 03.02.2020).

3 Biesalski, H. K., Bischoff, S. C., Pirlich, M. & Weimann, A.Ernährungsmedizin, 5. Band, Thieme, (2018).

4 Skyler, J. S. et al. Differentiation of Diabetes by Pathophysiology, Natural History, and Prognosis. Diabetes 66, 241–255 (2017).

5 Shulman, G. I. Ectopic fat in insulin resistance, dyslipidemia, and cardiometabolic disease. N. Engl. J. Med. 371, 1131–1141 (2014).

6 Adipositas stärkster Risikofaktor für Diabetes Typ 2. diabetesDE- https://www.diabetesde.org/pressemitteilung/adipositas-staerkster-risikofaktor-diabetes-typ-2-0 (Zugriff: 03.02.2020).

7 Guthold, R., Stevens, G. A., Riley, L. M. & Bull, F. C. Worldwide trends in insufficient physical activity from 2001 to 2016: a pooled analysis of 358 population-based surveys with 1·9 million participants. The Lancet Global Health 6, e1077–e1086 (2018).

8 Ford, E. S. & Dietz, W. H. Trends in energy intake among adults in the United States: findings from NHANES. Am J Clin Nutr 97, 848–853 (2013).

9 Gose, M., Krems, C., Heuer, T. & Hoffmann, I. Trends in food consumption and nutrient intake in Germany between 2006 and 2012: results of the German National Nutrition Monitoring (NEMONIT). Br. J. Nutr. 115, 1498–1507 (2016).

10 Lean, M. E. et al. Primary care-led weight management for remission of type 2 diabetes (DiRECT): an open-label, clusterrandomised trial. Lancet 391, 541–551 (2018).

11 Mühlenbruch, K. et al. Update of the German Diabetes Risk Score and external validation in the German MONICA/KORA study. Diabetes Res. Clin. Pract. 104, 459–466 (2014).

12 Neuenschwander, M. et al. Role of diet in type 2 diabetes incidence: umbrella review of meta-analyses of prospective observational studies. BMJ 366, l2368 (2019).

13 Tsilas, C. S. et al. Relation of total sugars, fructose and sucrose with incident type 2 diabetes: a systematic review and metaanalysis of prospective cohort studies. CMAJ 189, E711–E720 (2017).

14 Scientific Opinion on Dietary Reference Values for carbohydrates and dietary fibre. EFSA Journal 8, 1462 (2010).

15 Hauner, H. et al. Evidence-based guideline of the German Nutrition Society: carbohydrate intake and prevention of nutritionrelated diseases. Ann. Nutr. Metab. 60 Suppl 1, 1–58 (2012).

16 Imamura, F. et al. Consumption of sugar sweetened beverages, artificially sweetened beverages, and fruit juice and incidence of type 2 diabetes: systematic review, meta-analysis, and estimation of population attributable fraction. BMJ 351, h3576 (2015).

17 de Graaf, C. Why liquid energy results in overconsumption. Proc Nutr Soc 70, 162–170 (2011).

18 Mourao, D. M., Bressan, J., Campbell, W. W. & Mattes, R. D. Effects of food form on appetite and energy intake in lean and obese young adults. Int J Obes (Lond) 31, 1688–1695 (2007).

19 Choo, V. L. et al. Food sources of fructose-containing sugars and glycaemic control: systematic review and meta-analysis of controlled intervention studies. BMJ 363, k4644 (2018).

20 Toeller, M. Evidenzbasierte Empfehlungen zur Ernährungstherapie und Prävention des Diabetes mellitus. Ernährungs-Umschau 52 Heft 6 (2005).