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Dem Klimawandel begegnen

Zucker-Podcast Neue Züchtungstechniken

Der Klimawandel stellt Landwirte vor neue Herausforderungen. Obwohl die Zuckerrübe eigentlich besser als viele anderen Feldfrüchte mit Trockenheit und Wärme zurechtkommt, ist sie immer mehr Schädlingsdruck ausgesetzt. Wie können neue Züchtungsmethoden der Landwirtschaft helfen, die Folgen des Klimawandels zu meistern? Das diskutieren wir mit Prof. Dr. Christian Jung, Direktor des Plant Breeding Institutes an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und mit Dr. Jana Streubel vom Institut für Pflanzengenetik an der Leibniz Universität Hannover.

Zusammenfassung der Folge

Veränderungen von Genen ermöglichen Evolution

„Gentechnik umgibt uns eigentlich überall auf unseren Feldern“. Mit diesem Satz machte Jana Streubel deutlich, Gentechnik per se ist nichts Ungewöhnliches. Die Wissenschaftlerin erklärt weiter. „Sie basiert immer auf einer Mutation im Erbgut. Das passiert regulär ständig, bei uns Menschen aber eben auch bei Pflanzen.“ Mutationen bilden also die Grundlage für Evolution. In der Züchtung macht man sich dies zu Nutzen. Man selektiert die Pflanzen, die eine Mutation hin zu einer gewünschten Eigenschaft aufzeigen. „In der klassischen Züchtung beschleunigt man diesen Mutationsprozess etwa durch eine chemische Behandlung oder eine Bestrahlung, sodass der Pool an veränderten Pflanzen größer ist.“ Trotzdem ist man immer angewiesen auf eine zufällig erwünschte Veränderung. Oft kommt es sogar gleich zu mehreren Mutationen in einer Pflanze, sodass man vielleicht zwar eine gewünschte Eigenschaft erhält, aber gleichzeitig auch zwei weniger gute Veränderungen auftreten.

Mit der Genschere, die zu neuen Züchtungstechniken zählt, ist dies anders. „Es geht darum, dass das Genom einer Pflanze ganz präzise an einer bestimmten Stelle geschnitten werden und man so eine gezielte Mutation hervorrufen kann“, erklärt Christian Jung. Das hat auch den Vorteil, dass man nur diese eine Mutation erhält und nicht weitere unerwünschte.

Für die Klimaanpassung kommt es auf Schnelligkeit an

Der große Vorteil dieser Methode ist auch, dass sie deutlich schneller ist. Während man bei der klassischen Züchtung mit 8-10 Jahren für eine neue Sorte reche, so Jana Streubel, braucht man mit der neuen Methode nur halb so lang. Genau das hilft auch bei der Anpassung an den Klimawandel. Und das ist mehr als notwendig. Denn resistente Züchtungen können besser mit höherem Schädlingsdruck und neuen klimatischen Bedingungen zurechtkommen. Und da spielt Tempo eine zentrale Rolle. Dazu Dr. Streubel: „Man muss eigentlich mit der Züchtung immer einen Schritt voraus sein von dem, was die Landwirtschaft braucht“ bringt es Dr. Streubel auf den Punkt.

„Wir wollen doch auch, dass weniger Pflanzenschutzmittel auf die Felder kommen und dass die Pflanze sich selbst etwa vor Schädlingen schützen kann. Das ist mithilfe neuer Gentechnik deutlich schneller zu erreichen“, ergänzt Christian Jung. „Wir sollten die Chancen der Gentechnik nutzen und sorgsam gegen Risiken abwägen. In vielen anderen Ländern ist dies bereits geschehen – in Amerika oder Australien bespielweise. Wieder andere Länder wie China oder Japan importieren derartig veränderte Pflanzen, weil sie den Vorteil erkennen.“

Forschungsstandort Europa wird abgehängt

Trotz dieser Vorteile hat der Europäischen Gerichtshof 2018 alle NZT-Pflanzen pauschal als genetisch veränderte Organismen eingestuft und damit ihren Anbau praktisch unmöglich gemacht. Dr. Streubel erklärt: „Das große Problem ist, dass wir nicht in die Anwendung kommen. Wir können die Sachen, die wir in der Grundlagenforschung entdecken, nicht übertragen und Anwendungsforschung machen und damit zeigen, ob der erwünschte Effekt auch im Feld vorkommt.“ Für sie sei es frustrierend, weil man das Gefühl hat, wir würden überholt werden. Täglich werden weltweit neue Tools und Erkenntnisse entwickelt und man hängt sich hierzulande technologisch ab.

Jung bekräftigt und sieht die Gefahr, dass der Nachwuchs wegbricht. „Gerade auch die ausländischen Studierenden, von denen wir sehr viele haben, werden sich fragen: „Muss ich noch nach Deutschland kommen, um mit Crispr Cas zu arbeiten? Wenn ich hier sehe, Politik und Gesellschaft wollen das gar nicht, dann bleibe ich doch lieber zu Hause. Da kann ich es auch im Feld anwenden.“

Appell an die Politik

Das Gesetz macht für Prof. Jung wissenschaftlich keinen Sinn. Und es sei auch nicht durchsetzbar, denn Genmutationen, die so entstehen, wären nicht unterscheidbar von einer Veränderung, die durch klassische Methoden entsteht. Deshalb Jungs Forderung: „Das EU-Recht muss nachgebessert werden.“ Dass dies schnell gehen kann, beweise die EU gerade zu Recht im Umgang mit dem Impfstoff zum Corona-Virus.

Den Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir, der sich zu neuen Züchtungstechniken noch nicht festgelegt hat, fordert Prof. Jung auf: „Er muss nur mal lesen, was Leopoldina, Max Planck Gesellschaft, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Leibniz Gemeinschaft, alle europäischen Forschungsorganisationen in den letzten zehn, 15 Jahren zu dem Thema gesagt haben. Sie haben nämlich eindeutig Stellung bezogen.“ Indem die Politik sich gegen neue Züchtungsverfahren wehrt, hat sie gerade auch kleinen und mittelständischen Zuchtunternehmen hier aus Europa großen Schaden zugefügt. Denn diese könnten nicht ins Ausland gehen und die Methoden dort anwenden.

Und Dr. Streubel appelliert zusätzlich an die Verbraucher, „…offen zu sein für neue Methoden, sich darüber zu informieren und eine Meinung darüber zu bilden. Jeder darf seine Meinung haben. Das ist völlig in Ordnung. Es muss auch nicht jeder allem zustimmen, aber ich wäre sehr dafür, dass sich Verbraucher informieren und offen bleiben gegenüber neuen Möglichkeiten.“